Klassische Titelbild-Illustration

Compositing aus einer 3D-Szene und fotografischen Elementen

Die gestellte Aufgabe

Mein langjähriger Kunde CAEMAX Datensysteme – IMC Group beauftragte mich mit der Gestaltung einer Illustration für einen Faltprospekt mit dem Titel: »Digitale Telemetrie-Lösungen«. Das Motiv sollte die Anwendungsbereiche der fünf Artikelgruppen visualisieren, deren Produkte in der Broschüre beworben werden: Luftverkehr, Schienenverkehr, Automotive, Schiffsverkehr und Windenergiegewinnung. Dies in einem einzigen Bild abzuhandeln, ohne, dass es überladen wirkt, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Überlegungen zur Entscheidung, in 3D zu arbeiten

Im Vordergrund des Briefings stand der Wunsch, knapp, aber anschaulich, vor allem den dreistufigen Prozess zu visualisieren, um dem interessierten Kunden eine Vorstellung davon zu vermitteln, was das Produkt so besonders wertvoll macht.

Um zu ermitteln, wie eine Illustration beschaffen sein müsste, die diese Anforderung erfüllt, ohne überladen zu wirken, legte ich zunächst ein Scribble an. Dabei wurde schnell Verschiedenes klar: Zunächst fiel dem Kunden auf, dass eine Motorjacht nicht die typische Anwendung für das Produkt darstellte. Es sollte ein deutlich größeres Schiff sein. Da es dann aber zu dominant geworden wäre, musste es vom Vordergrund in den Hintergrund versetzt werden. Außerdem erkannte ich, dass es nahezu aussichtslos sein würde, das erforderliche Bildmaterial aus den Beständen einschlägiger Stockagenturen zu beziehen. Allein das Suchen danach hätte den zur Verfügung stehenden Zeitrahmen gesprengt. Ob das Ergebnis befriedigt hätte, darf ohnehin bezweifelt werden. Thematisch passende Fotos ausfindig zu machen ist schwer genug, in diesem Fall die geeignete Perspektive in Kombination mit der richtigen Beleuchtung zu finden, — unmöglich.

Hubschrauber im Tiefflug

Selbst der Versuch entsprechende Fotos im Auftrag speziell dafür anzufertigen – was ich tatsächlich hin und wieder praktiziere –, hätte Probleme bereitet. Machen Sie mal einen passenden Hubschrauber ausfindig und bitten Sie den Piloten im Tiefflug eine passend geneigte Steilkurve um ihren Standpunkt herum zu fliegen, damit Sie ausreichend Aufsicht auf die Rotornabe haben, um das darzustellende Gerät per Fotomontage im Zentrum des Rotors montieren zu können. Und kümmern Sie sich auch um die Erlaubnis für den erforderlichen Flug.

Der Schnellzug auf der Brücke

Dann das Schienenfahrzeug: Das Fotografieren von Zügen der Bundesbahn ist zwar theoretisch möglich, aber lassen Sie mal den passenden Zug zur richtigen Tageszeit über genau die Brücke rasen, die Sie sich dafür ausgesucht haben. Und zwar nahe genug an der Brückenkante entlang, damit das Radwerk gut erkennbar ist, auf welches der Kunde großen Wert legt, weil genau dort sein Produkt zum Einsatz kommt. Na ja, und dann wäre noch die rechtliche Frage zu klären: Die Genehmigung für das Veröffentlichen von Fotos, auf denen bundesbahneigene Fahrzeuge abgebildet sind, gibt es nicht umsonst.

Luxusliner vor Offshore-Windpark

Das Schiff und die Windräder? Die Bildagenturen bieten etliche Fotos von Schiffen und Offshore-Windparks an. Aber passen die auch ins Layout? In der gewünschten Position, Farbe, Winkel, Beleuchtung und im Dunst eines nebligen Tages? Und sind die dann auch mit der gewünschten Bewegungsunschärfe aufgenommen? Vermutlich nicht.

Auto am Kai im Drift

Das Auto? Kein Problem, Autos gibt es ja zuhauf. Aber wie sieht es mit der passenden Farbe aus? Die sollte ja zur CI des Kunden passen. Und die Marke? Besser wäre es, man könnte keine bestimmte Marke erkennen.

Natürlich gibt es auch Parkplätze mit entsprechend strukturierten Böden, auf denen man dieses Auto dabei fotografieren könnte, wie es vor den Augen des Fotografen um die Ecke driftet. Aber wann sind denn diese Parkplätze leer genug, um dies ungestört durchführen zu können? Sicher nicht gleichzeitig mit dem passenden Stand der Sonne. Die Reifen quietschen, wenn man Kurven schnell genug fährt, um das Fahrzeug in die gewünschte Neigung zu zwingen. Wie viele Versuche wird man haben, bis man von einem eifrigen Bürger wegen Ruhestörung oder unnützen Hin- und Herfahrens angezeigt wird? Wer erteilt einem die Genehmigung, derartige Fahrversuche unwidersprochen durchführen zu können?

Beschäftigung mit der Dynamik

Meine intensive Beschäftigung mit der Dynamik im Foto hat dazu geführt, dass die entsprechende künstlerische Ausdrucksweise nun auch meine 3D-Illustrationen beeinflusst. Ein 3D-Programm wie Cinema 4D bietet die idealen Werkzeuge dafür. Bewegt man darin Objekte wie im Film, kann man ihnen fotorealistisch wirkende Bewegungsunschärfen verleihen. So wird die gleiche Vitalität erzeugt, wie sie aus Fotos mit langen Belichtungszeiten resultiert.

Finish, Vögel und die Kraft der Entscheidung

Kai, Brücke, Auto, Zug, Schiff und Windkraftanlagen stammen aus demselben einzelnen 3D-Rendering. Die nachträgliche Ergänzung durch Abbildungen von Möwen ist eine Fotomontage, ebenso wie das Meerwasser rechts im Bild, Teile der Stadt und das Gras am Hang. Nach meinem Dafürhalten verleihen die Möwen dem Bild Seele, Witz und die entscheidende Prise mehr Lebendigkeit. Dass sie es nicht in die finale Druckdatei geschafft haben, ist die Folge einer demokratischen Entscheidung im Umfeld der Auftraggeber.

Fotografisch nicht erfassbar

Ein solches Titelbild ist nicht einfach ein Foto oder eine Fotomontage, sondern eine in jeder Hinsicht speziell auf die Corporate Identity hin konstruierte Bildaussage, die aus einer Komposition von Elementen besteht, die zwar realistisch wirken, aber in der Realität so nicht anzutreffen sind, also auch fotografisch nicht erfassbar wären. Würde man sie stattdessen von Hand zeichnen – so man sich dazu in der Lage sähe, – wären ähnlich detaillierte Vorlagen nötig, und man bekäme doch eine Illustration, die möglicherweise vom Look her weniger gut zum technologischen Anspruch passen würde.

Ein attraktives Titelbild im Einsatz

Ist ein solches Bild vorhanden, haben sich die vergleichsweise hohen Kosten der Realisation bald amortisiert. Es ist dann nämlich eine exklusive Sonderanfertigung mit signifikantem Anspruch. Wie man in meinen Beispielen sieht, wird ein solches Bild seiner Prägnanz und seiner Aussagefähigkeit wegen gern multimedial eingesetzt. Im vorliegenden Fall dient es nicht nur seinem ursprünglichen Zweck als Titelbild der Broschüre »Digitale Telemetrie-Lösungen«, sondern man findet es auch auf diversen Webseiten der Auftraggeber und auf deren Messeauftritt. Letztendlich schien es sich auch für das Cover einer Fachzeitschrift zu eigenen, obwohl an diesen Einsatz ursprünglich gar nicht gedacht war.

Eine gebrochene Tradition?

Bis etwa ins Jahr 2005 war es nach meiner persönlichen Erfahrung für viele renommierte Unternehmen üblich, vergleichbare Titelbilder von freischaffenden Illustratoren, beispielsweise von mir, extra anfertigen zu lassen. Man stellte den Redaktionen der Fachzeitschriften derartige Illustrationen zur Verfügung, um auf Fachartikel zu den Funktionen und Vorteilen der Produkte werbewirksam aufmerksam machen zu können.

Die Redaktion der Fachzeitschrift “Elektronik” produzierte Titelbilder sogar in eigener Regie. Zwischen den Jahren 1985 bis 2005 hatte ich die Ehre mit dieser Arbeit zwei mal pro Monat betraut zu sein. Ich beteiligte mich an Gesprächen zwischen Herstellern und Journalisten und machte vor Ort erste Vorschläge, die sogleich auf ihre Aussagekraft hin diskutiert werden konnten. Man brach mit dieser Vorgehensweise ersatzlos – soweit es mir bekannt ist, – um Kosten zu sparen. Durch die neu am Markt erschienen Stockagenturen, war der Eindruck entstanden, man könne zugunsten der erheblich niedrigeren Ausgaben für Stockmaterial auf gezielte Bildaussagen verzichten. Mehr als zehn Jahre später zeigt mein aktuelles Beispiel, dass dieser Eindruck immer noch täuscht.

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